Vom „Kulturgap“ bis zum „Darien Gap“, Mexiko bis Panama

Vom „Kulturgap“ bis zum „Darien Gap“, Mexiko bis Panama

Wir (Claudia und Peter aus Österreich) sind nun schon über 1 Jahr und 9 Monate mit unserem Hase Pino (namens Loki) durch Europa und die Amerikas unterwegs. Natürlich wollen wir euch nicht vorenthalten, wie es uns seit dem Verlassen der USA ergangen ist.

Der Grenzübertritt nach Mexiko bedeutete eine Umstellung unseres Reisemodus, nicht nur der Kulturunterschied sowie die Sicherheits- und Lebensstandards veränderten sich schlagartig, sondern auch die Sprache: „Good bye!“ wohlvertrautes Englisch, „¡holá!“ wenig beherrschtes Spanisch. Das erste Wort, für welches wir unser Wörterbuch zu Rate ziehen mussten, war nicht etwa der Ausdruck für eine Speise, ein Getränk oder eine Grußformel, wie man vermuten würde, sondern „schweißen“ = „soldar“, da gleich nach Ankunft in Tijuana unser Gepäckträger (Lowrider) brach.

Dies wiederholte sich mehrmals wöchentlich, sodass sich das neu erlernte Vokabel auch gleich in unserem Wortschatz festigen konnte. Der Grund für das Versagen unseres Lowriders lag sicher mitunter an dem enormen Gewicht, welches wir in Form von Wasser mitschleppten, was aber nötig war, da die Baja California (Niederkalifornien, das ist die Halbinsel südlich Kaliforniens) zum größten Teil aus Wüste besteht.

Bei der Suche nach Zeltplätzen war ab nun besondere Vorsicht geboten, denn fast alle Pflanzenarten in dieser Gegend haben Stacheln und gehören zu der Familie der Kakteen.

Am mexikanischen Festland angekommen wurden wir mit vielen Warnungen und Bedenken um unsere Sicherheit konfrontiert, schließlich hat man als Reiseradler kaum Fluchtmöglichkeiten oder Schutz vor allerlei Bedrohungen. Wir beschlossen deshalb nicht mehr einfach so neben der Straße unser Zelt aufzuschlagen, sondern bei Institutionen aller Art Unterschlupf zu suchen (für Übernachtungen gaben wir im ersten Reisejahr abgesehen von Gastgeschenken keinen Cent aus). Die hilfsbereiten und besorgten Mexikaner halfen uns gerne weiter und wir nächtigten in Polizeistationen, Kirchen, Feuerwehrstationen, Turnhallen, medizinischen Einrichtungen, im Frauenhaus, in Justizgebäuden, beim Zivilschutz … oder wurden vom Bürgermeister in ein Hotel eingeladen.

Egal wo wir mit Loki auftauchten, wir wurden bestaunt, fotografiert, gefilmt, besprochen und befragt. Wir gaben bereits tausende Male Auskunft über Herkunft und Reiseziel, in Mexiko wurden wir oft nur mit der Frage „Wie viel?“ beworfen. Wir fanden schnell heraus, dass nicht die zurückgelegten Kilometer oder unser Alter gemeint waren, sondern der Wert des seltsamen Fahrrades. Da dieser wohl das Jahreseinkommen des Durchschnittsmexikaners übersteigt und wir niemanden auf „falsche Ideen“ bringen wollten, verleugneten wir häufig Lokis Abstammung und gaben vor, das Rad selbst ganz günstig zusammengeschweißt zu haben (zum Glück war das Wort „schweißen“ ja mittlerweile ein Fixbestandteil unseres Spanischvokabulars).


Das Hügelland in Zentralmexiko gilt als weniger gefährlich als die Küste, trotzdem kamen wir genau dort in eine kleine Volksrebellion mit Straßenblockade, großangelegtem Polizeieinsatz und überdimensionalem „Lagerfeuer“ dem neun Fahrzeuge und vierzehn Gebäude zum Opfer fielen. Selbst in dieser Situation wurden wir als Radfahrer bevorzugt behandelt, kaum behelligt und kamen mit dem Schrecken davon.

Als gefährlicher erwiesen sich die „Fallen“, die uns Loki stellte. Nach vielen mühsamen Tagen mit heftigem Anstieg freuten wir uns auf eine knapp zwanzig Kilometer lange Bergab-Strecke, auf welcher wir rund 1.700 Höhenmeter verlieren sollten. Wir freuten uns – bis bei der steilen Abfahrt auf einer sehr kurvigen und verkehrsreichen Straße plötzlich beide Bremsanlagen gleichzeitig versagten. Mit viel Glück konnten wir das Tandem auf einer steil ansteigenden Hauszufahrt zum Stehen bringen, um mit rasenden Herzen und wackeligen Knien festzustellen, dass die Bremsflüssigkeit zum Kochen begonnen hatte.

Mit einem weiteren Radversagen wurden wir in Oaxaca konfrontiert, wo uns zwei Tage vor Weihnachten der Rahmen brach. Wir nutzten die „Gelegenheit“ für einen ausgedehnten Urlaub über die Feiertage und fanden eine „soldadura“, richtig, eine „Schweißerei“, wo wir das Gebrechen übergangsmäßig beheben ließen. Dankenswerterweise wurde uns von Hase ein neuer Rahmen auf Garantie zugesendet, welchen wir zirka 1000 Kilometer und ein Monat später in Mérida in Empfang nehmen konnten.

Für uns war Mexiko trotz vieler Pannen und Herausforderungen das absolute Lieblingsland unserer Reise, was an der Vielfalt und Schönheit der Natur und Kulturdenkmäler (Aztekenstädte), dem ausgezeichneten Essen und dem niedrigen Preisniveau liegt, vor allem aber an der fröhlich willkommen-heißenden Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Mexikaner.

Während wird drei Monate in Mexiko verbrachten, durchquerten wir Zentralamerika in nur sieben Wochen. Kennzeichnend für diese Zeit war für uns die extreme Hitze und Trockenheit, die uns dazu veranlasste möglichst früh (häufig gegen 5 Uhr morgens) die ersten Kilometer hinter uns zu bringen, um uns spätestens gegen Mittag bereits am Tagesziel zu befinden.

Für das von uns als sehr unspektakulär empfundene Belize nahmen wir uns überhaupt nur drei Tage. In Guatemala besuchten wir die Ruinenstadt Tikal, von wo aus wir auf direktem Wege nach Südosten radelten und so die Hauptstadt und das Bergland rechts liegen ließen.

Unser nächstes Reiseland Honduras gilt neben Venezuela als das gefährlichste Land Amerikas, doch mit der nötigen Vorsicht im Gepäck konnten wir auch hier ungestört Reisen. San Pedro Sula mag die zweitgefährlichste Stadt der Welt sein, wir durchquerten sie tagsüber, stoppten sogar für mehrere Stunden bei einem Specialized-Shop und waren verwundert in Honduras einen so gut ausgestatteten Radfachladen zu finden, was sonst in Zentral- und Südamerika kaum der Fall war. Neben Ersatzteilen für unser Hase Pino war es von Mexiko an schwierig Gas für unseren Camping-Kocher zu finden. Somit verbrachten wir unsere „Rasttage“ mit der rastlosen Suche nach diesen für unseren Reisealltag so essentiellen Gegenständen. Honduras behalten wir als Land der Wiedersprüche in Erinnerung. Das Lohnniveau ist niedrig, die Preise hingegen sind mit europäischen zu vergleichen oder übersteigen diese im Fall von Lebensmitteln sogar. Wir schlugen mehrmals unser Zelt beim Roten Kreuz auf und fanden dort superschnelles WiFi vor, jedoch kein fließendes Wasser (das es meist nur zu gewissen Stunden am Tag gibt).

Selbst in der Hauptstadt, Tegucigalpa, bekamen wir in den drei Tagen unseres Aufenthaltes keinen Tropfen aus der Wasserleitung zu sehen. Die Einheimischen sind jedoch auf diese Situation vorbereitet und füllen Wasserbecken auf, die für mehrere Tage reichen.

In Nicaragua faszinierte uns vor allem die Vulkaninsel Ometepe im Nicaragua-See. Wir zelteten zwei Nächte an einem Traumstrand, kochten über offenem Feuer die im See zahlreich vorhandenen Muscheln und genossen Sonnenauf- und Sonnenuntergänge mit Blick auf die beiden Vulkane, deren Lava die Insel einst formte.

Costa Rica gilt als Touristenparadies und ist es sicher auch, wenn man das nötige Kleingeld in der Tasche hat, selbiges gilt für Panama. Als Reisende mit kleinem Budget hielten wir uns von Touristenattraktionen fern und ernährten uns vorwiegend von Südfrüchten wie Melonen, Mangos und Kokosnüssen, die am Straßenrand zu Hauf zu finden sind.

Darién ist die Region in Panama an der Grenze zu Kolumbien, wo die Panamericana endet und das Abenteuer beginnt. Um trotzdem unsere Reise in Kolumbien fortsetzen zu können, mussten wir zwischen folgenden Übeln wählen:

Indianer Jones: Sich auf dem Landweg auf Fußpfaden durch den Urwald schlagen und sich bei den Drogenbaronen und Schmugglerbanden, welche diese Gegend dominieren, freies Geleit erkaufen – oder abmurksen lassen, falls Barvermögen, Überredungskunst oder Glück nicht ausreichen sollten. Diese Variante war uns dann doch zu riskant.

Apollo 13: Per Flugzeug von Panama Stadt nach Bogotá – wobei wir relativ schnell am Ziel, bzw. sogar darüber hinaus wären. Hierbei schreckte uns der Preis weniger als die Vorstellung mit Loki abermals ohne passende Verpackung auf einem Flughafen erscheinen zu müssen. Da wir uns bei den Airlines noch weniger Erfolgsaussichten auf positive Aufnahme als bei den Drogenschmugglern erwarteten, mussten wir die Idee mit dem Luftweg leider fliegen lassen.

Titanic: Der Wasserweg, wiederum mit mehreren Optionen: die Luxusvariante auf einem Segelschiff mit Komplettversorgung oder Hafen-Hopping für Individualtouristen.

Wir entschieden uns für die ungemütliche, aber budgetschonendere letzte Variante und nahmen damit das Risiko in Kauf, an irgendeinem Hafen auf unbestimmte Zeit festzuhängen, ohne eine passende Mitfährgelegenheit für uns und Loki zu finden. Drei Bootsfahrten später, zwei davon auf kleinen Motorbooten, die von unserem Gepäck und Loki völlig ausgefüllt waren, und nach zwei Übernachtungen in nicht gerade einladenden Kleinst-Häfen kamen wir und Loki wie durch ein Wunder unbeschädigt von wilder Wellenhüpferei und Spritzwasser in Südamerika (Turbo in Kolumbien) an.

Der Bericht über den Reiseverlauf in Südamerika folgt in Kürze und wer Lust hat mehr über unser Abenteuer zu lesen, findet auf unserem Blog: wecycletheworld.wordpress.com weitere Reisegeschichten, sowie Fotos und Karten mit der zurückgelegten Route.

Bis bald,
Claudia und Peter

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One Response so far.

  1. […] Loki betraten wir, Claudia und Peter, Ende März 2016 südamerikanischen Boden (siehe dazu unseren letzten Bericht, der unseren Weg von Mexiko bis zur Ankunft in Kolumbien abdeckt) – jetzt, kurz vor der […]